Von den Weinbergen zur Weltmarke: Wie Tanja Barattin Prosecco global inszeniert
Wie schafft man es, ein regionales Produkt zu einer internationalen Lifestyle-Marke zu machen – und dabei Herkunft, Qualität und Emotion gleichermaßen zu vermitteln? Tanja Barattin macht genau das. Sie ist Head of Marketing beim Schutzkonsortium des Prosecco DOC – dem größten und erfolgreichsten Schaumweinanbaugebiet der Welt und Zusammenschluss aller Prosecco-Produzenten.
Mit einem Master in „Technics and Communication of Sparkling Wine“ und viel internationaler Erfahrung verantwortet sie die Marketingkampagnen in über 40 Exportmärkten – und bringt so die Jahresproduktion von mehr als 600 Millionen Flaschen Prosecco in die ganze Welt. Wir haben Tanja beim Businettes Female Founders Summit kennengelernt, wo Prosecco DOC unser offizieller Aperitivo-Partner war (und uns nicht nur geschmacklich begeistert hat). Im Interview spricht sie über ihren ungewöhnlichen Karriereweg, internationale Markenarbeit und darüber, wie man sich in einer männerdominierten Branche behauptet. Ein Gespräch für alle, die Marken denken, Female Leadership feiern – und selbst groß rauswollen.
Ein Interview mit Tanja Barattin
Tanja, Du hast einen Master in „Technik und Kommunikation von Schaumwein“ in Padua absolviert – wie kam es zu diesem eher ungewöhnlichen Studiengang? Gibt es viele Menschen, die ein solches Studium wählen oder ist das etwas ganz Besonderes? Was war der spannendste Studieninhalt?
Ja, ich habe diesen Master-Studiengang abgeschlossen und das war eine wirklich einzigartige Erfahrung. Dieser Studiengang wurde einmalig als spezielles Programm von der Region Venetien angeboten – nicht nur regional, sondern in ganz Europa – und das an einem der wichtigsten Zentren für Schaumweine. Das war eine einmalige Möglichkeit!
Ich bin durch meinen Vater darauf gestoßen. Als leidenschaftlicher Landwirt liegt ihm Weinbau sehr am Herzen und diese Leidenschaft hat er mir auf jeden Fall weitergegeben. Mein Vater hat einen Artikel zu dem Masterprogramm gelesen und mich daraufhin angesprochen, ob das nicht spannend für mich wäre.
Wein – besonders Prosecco – hat mich schon immer fasziniert. Als ich dann erfahren habe, dass das Programm technisches Wissen rund um die Weinherstellung mit Marketing und Kommunikation verbindet, schien das die perfekte Kombination für mich zu sein. Es ist auf jeden Fall ein Nischen-Programm, das nicht viele Menschen studiert haben, was es umso besonderer macht. Die meisten meiner Kommilitoninnen und Kommilitonen hatten entweder bereits ein Studium im Weinbereich angefangen oder eine große Leidenschaft dafür. Dadurch war mein Umfeld dort sehr fokussiert und inspirierend. Am spannendsten war für mich, die Erfahrungen Hands-on zu machen. Die Möglichkeit, den gesamten Herstellungsprozess für Schaumwein, von der Traubenlese über die Fermentierung bis hin zur Abfüllung, mitzuerleben, und dabei zu lernen, wie ich die Geschichten dahinter kommunizieren kann, hat mir wirklich die Augen geöffnet. Hier wurde Wissenschaft mit Tradition und Kreativität verbunden. So hatte ich das zuvor noch nie wahrgenommen.
Seit 2016 bist du Head of Marketing des Konsortiums Prosecco DOC. Wie kamst du zur Welt des Prosecco? Wie sieht ein typischer Arbeitstag für dich aus? Was findest du besonders reizend an diesem Job?
Dank meines Master-Programms habe ich nach und nach meine professionelle Expertise im Bereich der Bewerbung und Internationalisierung italienischer landwirtschaftlicher Produkte erweitern können, sowohl in Unternehmen als auch im öffentlichen Sektor, zum Beispiel bei Verbänden.
Drei Jahre lang habe ich bei einem Unternehmen gearbeitet, das dem Ministerium für Landwirtschaft- und Forstpolitik in Rom unterstellt ist. Hier habe ich mich auf die Kommunikation italienischer IGP- und DOP-Produkte konzentriert. Während dieser Zeit hatte ich die Möglichkeit große internationale Kommunikationsprojekte zu leiten. Danach habe ich angefangen für das Forschungszentrum für Önologie und Weinbau zu arbeiten: auch hier war ich für internationale und nationale Programme in Zusammenarbeit mit ausländischen Universitäten, Wirtschaftsverbänden und Forschungszentren, zuständig. Meine Aufgaben waren vor allem Fundraisingkampagnen und die Durchführung von Marktrecherchen, hauptsächlich in ostasiatischen Ländern. Nach verschiedenen Arbeitserfahrungen im Ausland, unter anderem Japan und Georgien, habe ich meinen aktuellen Job beim Konsortium Prosecco DOC gestartet.
Mein typischer Arbeitsalltag ist ziemlich dynamisch und schnelllebig: Meetings und Video-Calls, Pressekonferenzen, Location Scoutings, Fotoshootings oder ich bin auf einem internationalen Business Trip unterwegs, um das größte Anbaugebiet der Welt zu repräsentieren. Ich organisiere B2B und B2C Werbe- und Marketingkampagnen in über 40 Märkten weltweit. Dazu gehören Seminare, professionelle Verkostungen, Kochshows, Messen, Konferenzen und Sponsorships in verschiedenen Bereichen wie Sport, Kultur und sozialer Verantwortung. Außerdem koordiniere ich Co-Marketing Kampagnen mit dem Großhandel, dem HoReCa-Sektor und E-Commerce Plattformen. Ich entwickle und überwache crossmediale Kampagnen auf internationaler Ebene in verschiedenen Kanälen wie Fernsehen, Radio, Kino, Konzerte, Internet, soziale Medien, Printmedien und OOH. Alles, was ich mache, basiert auf meiner intrinsischen Motivation stets neue, innovative Instrumente und Methoden zu finden und darauf, kreative, aufmerksamkeitsstarke Projekte zu kreieren.
Was macht Prosecco DOC so besonders für dich – und wie kommunizierst Du das international?
Prosecco ist Teil meiner Kultur, meiner Bräuche und Traditionen. Als ich noch klein war, bin ich ständig durch die Weinberge gerannt, und habe dort Verstecken gespielt. Die Weinlese war für mich immer eine große Spielwiese, bei der ich meinen ersten Schluck Wein und Grappa gekostet habe – aber auch verstand, welch‘ harte Arbeit in jedem einzelnen Tropfen steckt.
Heute bin ich unfassbar stolz darauf, dass diese kleinen, einheimischen Glera-Trauben so einen großen weltweiten Erfolg haben. Prosecco ist ein Symbol für die italienische Lebensweise geworden – eine italienische Stilikone im Glas, La Dolce Vita. Er ist ein Symbol des Zusammenkommens, der mühelos Menschen verbindet und sie das Leben genießen lässt: Mit Kolleg*innen nach der Arbeit, beim Aperitif mit Freunden, an einem gemütlichen Samstagabend mit dem/der Partner*in oder beim Sonntagsessen mit der Familie. Prosecco passt mit seiner Frische einfach immer - in den Alltag wie auch zu besonderen Momenten.
Tanja, Du bist auch eine ausgebildete Sommelière – wie fliesst das in deine Arbeit ein?
Die Ausbildung zur Sommelière hat auf jeden Fall mein Wissen zu allem rund um das Thema Wein vertieft. Ich konnte Techniken lernen, die helfen einen Wein sensorisch zu bewerten. Das ist ein fundamentales Wissen, wenn man mit Wein arbeitet. Auf den verschiedenen Events, Messen und professionellen Verkostungen, die ich organisiere, habe ich immer die Möglichkeit, mein Können anzuwenden.
Was sollten die Menschen auf jeden Fall über Prosecco DOC wissen?
Prosecco ist nicht einfach ein Wein – es ist eine Region im Nordosten Italiens, ganz genau in Venetien und Friaul-Julisch Venetien die wiederum die neun Provinzen Venedig, Vicenza, Padua, Treviso, Belluno, Pordenone, Udine, Gorizia und Triest einschließen. Nur hier darf prosecco DOC produziert werden. Etwas, das auch viele nicht wissen ist, dass original Prosecco DOC nur in Glasflaschen verkauft wird – nie in Fässern oder Dosen. Prosecco sollte man nie im Kühlschrank oder Keller vergessen – er muss nämlich nicht reifen. Am besten man trinkt ihn gleich, damit man in den vollen Genuss seines fruchtigen und floralen Bouquets. Und bitte nicht vergessen: auch der originale Spritz sollte unbedingt mit Prosecco DOC aufgegossen werden!
Gibt es viele Frauen in der italienischen Weinwelt? Und in der Welt des Schaumweins? Warum denkst Du ist das so?
Zum Glück ist die Anzahl von Frauen in der Weinwelt seit über 10 Jahren stetig am Wachsen. Und das nicht nur im Verkauf oder im Marketing, sondern auch in technischeren Rollen wie wie Technikerinnen, Önologinnen, Agrarwissenschaftlerinnen und Weinexpertinnen. Allerdings sind bisher nur sehr wenige Frauen in Führungspositionen – als CEOs oder Vorstandsmitglieder. Die Hintergründe hierfür sind historisch und kulturell, aber auch strukturelle Barrieren, systematische Hindernisse und tief verwurzelte Stereotypen und Vorurteile spielen da leider noch eine Rolle. Trotz alledem wächst das Bewusstsein für Diversität, Geschlechtergleichstellung und Bildung dahingehend. Das Ziel ist, konkrete Maßnahmen für einen tiefgreifenden, kulturellen Wandel umzusetzen. Denn das ist heute notwendiger denn je.